Rotes Kleid vor rotem Hintergrund – wenn das mal nicht ein gekonnter Schachzug ist!
Und dann der milchweiße Nacken, der einen förmlich aus dem Rot heraus anspringt … zumal der Maler fast komplett auf Schatteneffekte verzichtet.
Aber am auffälligsten scheint mir das Haar zu sein. Mit ziemlich grobem Pinsel eine so detailliert anmutende Frisur zu malen – das zeigt die große Klasse von Carolus Duran.
Duran (1837 – 1917), verdiente sein Geld nicht nur als Maler, sondern auch als Kunstlehrer. Sein bekanntester Schüler war der Amerikaner John Singer Sargent.
Duran war hauptsächlich als Porträtmaler bekannt und gefragt. Ich finde ja, dass man aus den meisten Porträts keinen sonderlichen Kunstgenuss ziehen kann, da im Vordergrund ja immer die dargestellte Person steht. Und weil man die meist nicht kennt oder erst gar nicht kennen will, sind Porträts auf inhaltlicher Ebene halt nicht wirklich interessant.
Hier also eine der großen Ausnahmen – denn, außer dass die Dame Lilia heißt erfahren wir kaum etwas über sie.
Das Weglassen von Details schafft hier quasi einen Archetypus von Weiblichkeit schlechthin. Aus Licht, Form und Farbe schafft der Realist Duran eine Abstraktion des ewig Weiblichen – eine Studie, die seiner Zeit weit voraus war.
Das Original hängt in der National Gallery of Art in Washington.